Höhlentauchen in Frankreich - Mai 2013
Ein Bericht von Martin
Freitag um 1 Uhr in der Früh steigen wir im Campingplatz Chez Gaby bei Rocamandour aus dem Auto. Nach über 17 Stunden Autofahrt sind wir zu müde um noch viel zu plaudern. Die Vorfreude war groß - zwei Wochen Camping und Höhlentauchen. Die erste Woche HT2-Kurs und die zweite dann begleitetes Tauchen um die erlernten Skills zu verfestigen. Erste Übungen und die Theorie hatte Joe bereits mit mir zu Hause gemacht, nun geht es daran das Gelernte zu verfestigen und anzuwenden.
Wir nehmen die Schlafsäcke und breiten sie im Gemeinschaftsraum aus um etwas zu ruhen. Gegen neun Uhr sind alle wach und die Zelte werden aufgebaut und der Tag geplant: Mittagessen in Gramat und dann ein Tauchgang an der Ressel. Wir - Joe, Lukas und ich, fahren an die Selé und parken beim Flusszugang der nach kurzem Schwimmen und Abtauchen an der Leine durch den trüben Fluss den Zugang zur Ressel erlaubt. Nach einem sorgfältigen Briefing und Check an Land gehen wir ins Wasser für das Head-to-Toe und schwimmen flussaufwärts zur Leine - mein erster Höhlentauchgang beginnt. Joe vorne weg, ich in der Mitte und Lukas, ein Schweizer Full Cave Diver als Dritter. Im nun glasklaren Cavern-Bereich noch ein S-Drill, den Kompass auf Richtung Ausgang gestellt und schon geht es in die totale Finsternis. Ich fühle mich wie zu Hause angekommen, gehe im Kopf noch einmal die Notfallroutinen durch und schwimme Joe nach. Zügig geht es an der Hauptleine entlang, regelmäßige OKs prüfen Zusammenhalt und Wohlbefinden der Gruppe. Beim ersten T nehmen wir den flacheren Gang, setzen Ausgangsseitig einen Cookie und dringen weiter vor. Bei den Abstandsmarkierungen fragt Joe regelmäßig ob ich mich mit der Eindringtiefe wohl fühle. So passieren wir das zweite T, das den flachen und den tiefen Gang wieder verbindet, setzen erneut ein Cookie für den Rückweg. Kurz nach dem Abstieg Richtung Schacht zeigt Lukas an, dass sein Drittel erreicht ist und wir kehren bei rund 370m Penetration um. Wieder zurück an der Oberfläche nach 70 Minuten strahlt die Sonne. Wir lassen uns den Fluss zurück zur Einstiegsstelle treiben und sind bester Laune. Noch kurz für die Jause etwas Foie Gras und Wein einkaufen und zurück zum Campingplatz wo ich mich bald in den Schlafsack einwickle und bis zum Morgen wie ein Stein schlafe.
Inzwischen ist auch Jörg, ebenfalls wie Joe Instruktor, mit Frau und Kind angekommen. Nachdem Joe und Lukas einen anspruchsvolleren TG vorhaben gehe ich mit Jörg der sich eintauchen möchte in die Grottenzone der St. Sauveur - wir plaudern ausgelassen und besprechen den Tauchgang. Zu dem Zeitpunkt weiß ich noch nicht, dass Jörg mein HT2-Instruktor sein wird. Wir machen ein paar lockere Übungen aus und gehen ins Wasser. Heute läuft es nicht ganz rund. In der Grotte ist es anders eine Leine zu verlegen als im Neufeldersee und der Ventil-Drill klappt ganz und gar nicht. Dann soll ich auch noch die Maske im Freiwasser wechseln - Unbehagen macht sich breit. Aber Jörg ist geduldig und macht ein ausführliches Debriefing. Am Nachmittag erfahre ich dann, dass Jörg die Gruppe mit Alicia und mir ausbilden wird. Wir machen uns Englisch als Kurssprache aus, da das jene Sprache ist die Alicia besser versteht als Deutsch und sowohl Jörgs als auch mein Polnisch ziemlich eingerostet sind. So geht mit Händen und Füßen kommunizierend am Samstag-Nachmittag der HT2-Kurs mit Leinenübungen und Ausrüstungscheck los. Nachdem die letzten Verbesserungen vorgenommen wurden, werden wir für den Tag entlassen. Abends dann geht es nach Rocamadour zum Abendessen in ein Lokal.
Montag um 0730 geht es zum Frühstück und dann zur St. Sauveur, der Grotte mit (noch) toller Sicht vom Vortag, mit einem wunderschönen, idyllisch gelegenen Quellteich der einen Fluss speist. Briefing, zwei TG mit mehr als 90 Minuten im 13 Grad warmen Wasser und viele Übungen wie Out-of-Air, im Blindflug an der selbst gelegten Leine entlang und Maskenwechseln folgt ein ausführliches Debriefing und das lecken der Wunden - ich dachte ich könnte tauchen und sei relativ stressresistent, aber Fehlanzeige oder wie Jörg meinte: „a lot of room for improvement“. Die einzige gute Nachricht des Tages: die UW-Kommunikation funktioniert wirklich international - Polen und Österreicher können mit Hand- und Lichtzeichen sowie mit touch-contact besser kommunizieren als an Land. Auch beim zweiten, rein schweizerischen, HT2-Kurs, geführt von HAT-Instruktor Daniele mit Hugo und Marcel war die Kommunikation nicht einfach. Hier musste zwischen Schweizerdeutsch und Französisch gewechselt werden.
Am nächsten Tag geht es an die Ressel. Nach einem Briefing auf Deutsch, Englisch und Französisch geht es ins Wasser und wir verbringen zwei weitere Tauchgänge in der schönen Höhle. Nach über neunzig Minuten geht es raus, Debriefing, zweite D12 anschnallen und Mittagessen. Dann wieder Briefing und weiter 90 Minuten in der Ressel bevor es ans Flaschen füllen zurück zum Camping geht. Noch mehr entmutigt als nach dem ersten Tag (Jörg: „This dive was crap“) beschließe ich doch das Debriefing positiv zu beenden („at least we failed as a team“) - schließlich funktionierte die Teamarbeit zwischen Alicia und mir schon sehr gut. Dienstag wieder zwei Tauchgänge an der Ressel. Langsam beginnen die Übungen besser von der Hand zu gehen, Teamarbeit und Kommunikation verbessern sich, wir bekommen etwas Lob. Mittwoch ist trotz des regnerischen Wetters Barbeque angesetzt und wir machen die Theorie-Prüfung. Jedoch nicht bevor wir einen TG an der St. George gemacht haben. Diesmal mit angesetzter Rettungsübung. Wir machen den Abstieg im breiten aber mit sehr hohen Gang, das Profil verläuft vom Einstieg aus V-förmig auf 30m bevor der Gang wieder an 15m ansteigt. Am Rückweg deutet mir Daniele, dass ich als Dritter schwimmend das Opfer spielen soll. Ich lass mich fallen, treibe von der Leine weg und werde fußlastig. Kurskollege Marcel sieht den "Unfall" und reagiert rasch, signalisiert Hugo und der führenden Alicia die nach einer Schrecksekunde ankommen, mich auf den Rücken drehen und aus der Höhle bugsieren helfen. Erkenntnisgewinn des Tages: Auch die besten Buddies können in einem Notfall in der Höhle wenig für einen tun und man sollte besser selbst alles daran setzten zu verhindern, dass es zu einem Unfall kommt und eine Bergung notwendig wird.
Als Feier für die bestandene Theorie-Prüfung gönnten wir uns gemeinsam mit den Instruktoren etwas Foie Gras, geräucherte Gans und Wein vor dem Barbeque.
Am folgenden Tag ging es an die Laudenouse für die nun schon alt-bekannten Übungen Out-of-Air, Blindmaske und Maskenwechsel sowie etwas neuem: Mit aufgesetzter Blindmaske mittels Safety Spool die verlorene Leine wiederfinden. Nach zehn endlosen Minuten und dabei gefühlten hundert zurückgelegten Metern hatte ich die Leine in dem 10m Durchmesser-Gang an der Wand entlang kriechend gefunden. Nach Übungen beim Vormittags-TG unter Aufsicht von Swiss Cave Diving Präsident Beat, wo wir alle gelernten Skills, inklusive Rettungsübung, vorführen und zu seiner Zufriedenheit meistern mussten kam der als „Fun-Dive“ ausgelegte letzte Kurstauchgang. Marcel musste leider mit Ohrenproblemen passen und so machten Alicia, Hugo und ich uns an die Vorbereitung. Die Flaschen waren alle reichlich gefüllt, wir wollten den Schacht bei 380m Penetrationstiefe sehen. Ich sollte reinführen und die Cookies setzen. Nach Briefing, Aufgabenverteilung für den Notfall, Gearmatching und Safety-Drill ging es zügig in die Ressel. Kurz vor dem Schacht am Tiefenlimit für HT2 wurde dann leider das Drittel gezeigt und wir mussten zurück. Das Ziel war greifbar, aber der Umkehrdruck muss eingehalten werden - also gings zurück zum Ausgang wo uns eine erneute Rettungsübung überraschte. Diesmal ging es sehr glatt und wir kamen bester Dinge aus dem Wasser. Kurz darauf wurde verlautbart, dass alle vier den Kurs bestanden hatten. Die Freude war groß und am Abend gab es die "Siegerehrung".
Das Resümee der Woche: Tolle angehende und erfahrene Höhlentaucher kennengelernt mit denen ich hoffentlich auch künftig tauchen werde, sehr bescheidenes Wetter, wunderschöne Landschaft, anstrengender Kurs aber sehr viel gelernt über mich selbst und Zusammenarbeit im Team und auch taucherisch stark weiterentwickelt. Und: Es gibt jeden Abend leckere französische Hausmannskost.
Die zweite Woche war umgekehrt. Während Joe in der ersten Woche mit Lukas die Höhlen "unsicher" machte und ich als HT2-Kursteilnehmer „arbeiten“ musste, durfte Joe in der zweite Woche einen HT3-Kurs abhalten und ich bei geführten Tauchgängen entspannen. Dabei waren Beat und Jörg die "Guides". Immer begleitet auch von Beats reizender Gattin Truddy die leider ob ihrer Knie-OP nicht tauchen konnte und den Oberflächen-Support machte. Getaucht sind wir zweimal die Trou Madame bis zum HT2 Limit von 500m Penetrationsdistanz, zweimal die St. Sauveur bis zum HT2-Tiefenlimit von 30m, St. Georges bis zum Engins bzw. zum Rittersaal, viermal die Landenouse zum großen und kleinen Z, die Oeil de la Doue aufgrund des Wasserstandes ohne Trockenpassage zwischen erstem und zweiten Siphon und den Circuit in der Ressel.
Jetzt geht es leider auf den langen Weg nach Hause, aber ich freue mich schon auf den HT3 in Rocamandour im nächsten oder übernächsten Jahr und etliche Höhlentauchgänge in der Zwischenzeit.